Entwicklungsgeschichte Schrift

image Gedanken sind ohne Schrift verloren. Nur die Schrift hat die Eigenschaft als Sammelbecken von Mythen und Traditionen Wissen zu bewahren. Auch die Geschichtsschreibung beginnt erst mit der Entdeckung der Schrift. Alles davor ist größtenteils unbekannte und graue Vorgeschichte.

Schrift bewahrt wissen!

Mensch der Vorzeit – er hatte Gewalt über das ins Bild Gebannte

Zeichen seiner Anwesenheit hinterließ der Mensch schon in der Altsteinzeit[4] mit seinen Höhlenzeichnungen. Die verwendete Technik ist erforscht. Der Mensch ritzte, zeichnete oder spie seine Motive auf die Höhlenwände. Verwendet wurde dabei sehr oft Holzkohle, als Farbstoffe verwendete er natürliche Pigmente.

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Höhlenzeichnungen

clip_image004Neulich, in der Urzeit.

Sumerer – die Erfinder der Schrift

Die größte Idee der Menschheit war allerdings die Erfindung der Schrift. Der Ursprung dieser Erfindung ist in Mesopotamien (Zweistromland, Garten Eden) zu finden. Im 3. Jahrtausend v. Chr. entwickelten die Sumerer die Keilschrift. Lehm aus den Flüssen Euprath und Tigris diente zur Erzeugung von Tontafeln. Geschrieben wurde mit zugeschnittenen Rohrstäbchen, welche im weichen Ton keilförmige Eindrücke hinterließen, welche der Schrift ihren Namen gaben. Die Kunst des Schreibens war allerdings nur einem kleinen privilegierten Kreis aus Priester- und Beamtenschaft zugänglich. Jedes Zeichen stand nur für eine Sache, wodurch das Schriftsystem sehr umständlich anzuwenden war und beschränkte Aussagekraft aufwies.

clip_image002[4]Bild 1: Paragraph 6 der Gesetze des Hammurabi in altbabylonischer Keilschrift.

Die Übersetzung lautet:
Wenn ein Bürger Besitz eines Gottes oder Tempels gestohlen hat, wird der betreffende Bürger getötet.
Auch wer Diebsgut aus seinen Händen aufgenommen hat, wird getötet.

Langsam entwickelte sich die Schrift weiter und sobald es möglich war, dass ein Zeichen nicht nur für eine Sache (Bilderschrift) sondern für einen Laut stand, war es möglich, ein und dasselbe Zeichen für mehrere ähnlich klingende Begriffe zu verwenden. Durch diese Weiterentwicklung verringerte sich die Anzahl der Zeichen von ca. 2000 auf ca. 500. Der Übergang zur Silbenschrift erfolgte langsam, die Zeichen wurden vereinfacht und hatten mit dem Bild von dem sie stammten, kaum mehr Ähnlichkeit. Auf den ältesten gefundenen Tontafeln sind, bezeichnenderweise für die Menschheit, kaufmännische Aufzeichnungen zu finden. Die Schrift verbreitete sich über die Handelsrouten über den gesamten mittleren Osten und um 1400 v. Chr. war die Sumerische Keilschrift bereits die internationale Verkehrsschrift.

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Asterix, Obelix und ein paar Sumerer

Ägypter – staatliche Ordnung, Götterkult und Kunstsinn

Auch die Ägypter entwickelten fast zeitgleich mit den Sumerern eine Bilderschrift, der sie zur Lesehilfe noch Deutzeichen hinzufügten.

clip_image004[6]Bild 2: Entwicklung der Hieroglyphen von der ältesten Zeit bis zur demotischen Schrift

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Diese Schrift war den elitären Kasten wie den Priestern und hochgestellten Beamten vorbehalten. Die letzte bekannte in demotischer Kursive geschriebene Urkunde stammt aus dem Jahr 470 n. Chr. und bezeichnet das Ende der eigenständigen Schriftentwicklung und den Niedergang Ägyptens. Den eigentlichen Anstoß zur Weiterentwicklung der Schrift setzten allerdings die Phöniker im 2. Jahrtausend vor Christus.

 

Phöniker – Handelsreisende in Sachen „Schrift“

Ihre Schrift enthielt nur mehr 22 verschiedene Zeichen, wobei jedes davon für einen Laut stand. Sie kannten noch keine Zeichen für die Vokale[2]. Trotzdem kann dieses Alphabet als das erfolgreichste der Geschichte bezeichnet werden und viele heute in Verwendung stehende Alphabete gehen auf diesen Ursprung zurück.

clip_image002[8]Bild 3: Frühe phönikische Schrift

Die Form der Zeichen war von den Hieroglyphen der Ägypter inspiriert, mit welchen sie enge wirtschaftliche Verbindungen unterhielten. Die Phöniker (Phönizier) als Seefahrervolk gründeten viele Handelsniederlassungen und verbreiteten so ihre Schrift im gesamten Mittelmeerraum.

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clip_image006der Phönizier Epidemais aus Asterix

Griechen – sie gaben mit α und β dem Alphabet seinen Namen

Den Griechen war es vorbehalten die Schrift um die Vokale zu erweitern. Eigenständige Zeichen für A, E, I, O, U, und Y wurden entwickelt und traten gleichberechtigt neben die Konsonanten[3]. Das phonetische Prinzip hatte sich durchgesetzt und α für a und β für b gaben dem Alphabet seinen Namen.

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Bild 4: Griechische Inschrift von Abu Simbel, 591-580 v. Chr.

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Die Etrusker übernahmen von den Griechen die Schrift und bei der Kolonialisierung von Unteritalien hielt diese neue Errungenschaft auch im antiken Rom Einzug.

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Kontrabas offizielles Mitglied des Olympischen Rates (aus Band Asterix bei den Olympischen Spielen)

Römer – Menschen einer neuen Zeit

Als 79 nach Chr. der Vesuv ausbrach und Pompei mit ca. 10.000 Einwohnern sowie Herkulaneum verschüttete, wurden auf diese tragische Art viele Schriftdokumente erhalten. 1748 wiederentdeckt stellte man fest, dass durch das Erziehungssystem jener Zeit bereits weite Bevölkerungsschichten lesen konnten. Geschrieben wurde mit einer weiterentwickelten Kursivschrift meist auf Wachstafeln und es gab auch bereits politische Parolen auf den Hauswänden.

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Bild 5: Römische Kapitale auf der Trajansäule

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Bild 6: Römische Kursiv auf Papyrus

clip_image006[4]Weitere Schriften waren die Untialschrift, welche wie jede andere römische Schrift nur Großbuchstaben kannte und die Kapitale, welche mit Ihrer kantigen Form (mit Versalien) über Jahrhunderte die Standardschrift für die Beschriftung von Steinen war. Nach dieser Blüte kam allerdings ein neuerlicher Rückschlag.

Das Mittelalter – Koexistenz von Bibel u. Hexenverbrennung

Im barbarischen Mittelalter war das Lesen und Schreiben wieder nur einer kleinen Schicht von Adeligen und Geistlichen vorbehalten. Die Schriftenpflege erfolgte fast ausschließlich in Klöstern mit dem Ziel, das Wort Gottes zu verbreiten. Hier entstanden 780 die Karolingischen Minuskel, welche als erste Standardschrift bereits über die Groß- und Kleinschreibung verfügt. Der Erfolg der karolingischen Schrift liegt in der Vereinheitlichung der Form. Gute Lesbarkeit, ausgewogene Proportionen sowie Ober- und Unterlängen zeichnen diese Schrift aus. Die Wörter wurden nun klar voneinander getrennt und ermöglichten es in Wortbildern zu lesen.

Geschrieben wurde mit Rohrfedern auf Pergament[1] und das Schreiben eines Buches mit Illustrationen und reichen Verzierungen dauerte Jahre.

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Bild 7: Späte karolingische Minuskel

Dem Stil ihrer Zeit folgend entwickelte sich auch die Form der Schriftzeichen weiter. Den romanischen Schriftzügen folgten die gotischen Lettern, welche relativ schwer zu lesen waren. Im 11. Jahrhundert erweiterte sich das Alphabet um die Buchstaben w und j, womit die endgültige Zahl von 26 erreicht war.

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Münze mit Karl dem Großen

Gutenberg – die Revolution

Mitte des 15. Jahrhunderts kam es zu einer weiteren bahnbrechenden Entwicklung durch Johannes Gensfleisch, welcher nach seinem Haus „Zum Gutenberg“ genannt wurde. Diesem gelang es die Herstellung von Büchern zu mechanisieren. Er goss Einzelbuchstaben, welche er in einem Setzkasten sortierte. Beim Druck wurden die einzelnen Buchstaben dem Text entsprechend aneinandergereiht und auf Papier mit Hilfe von Pressen abgedruckt.clip_image014

Dieses revolutionäre Verfahren erlaubte die preiswerte und schnelle Erzeugung von Druckwerken und Büchern aller Art und wurde über Jahrhunderte in dieser Form beibehalten. Das Buch entwickelte sich zum ersten Massenartikel seiner Zeit und ermöglichte Neuzeit, Reformation, Aufklärung, Industrialisierung und Demokratie

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Bild 8: Letter

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eine Karikatur über Buchdrucker und PC

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alte Buchdruckerwerkstadt

 

 

 

Gegenwart und Zukunft – 01000101 01001111 00100100

Die Kunst des Schreiben und des Lesens wurde demokratisiert und die Schulpflicht stellt sicher, dass jeder diese Kulturtechnik erlernt. Dabei haben wir es in unserem Kulturkreis sehr leicht. Bloß 26 Zeichen reichen aus um auch komplexe Inhalte zu beschreiben. In China, wo es nach wie vor eine Bilderschrift gibt, müssen tausende Zeichen beherrscht werden um der Kunst des Schreibens und des Lesens mächtig zu sein. Der Mensch vermag ca. 40 Lautelemente hervorzubringen und es gibt derzeit ungefähr 5000 lebende Sprachen. Das Alphabet zerlegt die Geräusche der Sprache in Laute und gibt diesen ein Symbol. Schrift ist die Sichtbarmachung der Sprache.

Das Ende der Entwicklung ist allerdings noch nicht abzusehen. Durch Computer und globale Netzwerke wie das Internet erfolgt eine neue Art der Aufzeichnung und Wissensverbreitung. Neue Techniken erlauben die digitale Umsetzung von Schrift in einen binären Code (digitale Evolution) welcher nur aus 0 und 1 besteht und deren Speicherung. Dieser digitale und globale Wissensspeicher steht in steigendem Maße weltweit und sofort auf Abruf zur Verfügung. Speichermedien wie Papier als Wissenspeicher werden durch computergestützte Spracherkennungssysteme, welche unser Wissen binär umgewandelt auf Speichermedien archivieren, abgelöst. In dieser „Schönen neuen Welt“ wird vielleicht auch bald die Kenntnis des „Schreibenkönnens“ verloren gehen!

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Buchrucker Officin

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Buchdrucker Wappen



 

Bildnachweis:
Bild 1: Gustav Barthel, Weltgeschichte der Schrift, 1972 Verlag M. DuMont Schauberg, Köln, S. 15
Bild 2: Gustav Barthel, Weltgeschichte der Schrift, 1972 Verlag M. DuMont Schauberg, Köln, S. 39
Bild 3: Albert Kapr, Schriftkunst, 1971 VEB Verlag der Kunst Dresden, S. 17
Bild 4: Gustav Barthel, Weltgeschichte der Schrift, 1972 Verlag M. DuMont Schauberg, Köln, S. 59
Bild 5: Albert Kapr, Schriftkunst, 1971 VEB Verlag der Kunst Dresden, S. 29
Bild 6: Albert Kapr, Schriftkunst, 1971 VEB Verlag der Kunst Dresden, S. 37
Bild 7: Albert Kapr, Schriftkunst, 1971 VEB Verlag der Kunst Dresden, S. 44
Bild 9: Zeitschrift „Technik im Wandel“, Ausgabe unbekannt.
Und vieles aus dem Internet
Diverse Bilder aus „Asterix“ von der Seite
http://www.comedix.de/
Dieses Skriptum wurde ursprünglich von Fl. Ajdovic und Fl. Mühl für CGG geschrieben und wurde von R. Stadler überarbeitet.

 


[1] Pergament – geglättete ungegerbte Haut von Ziegen und Schafen

 


[2] Konsonaten (Mitlaute) wie b, c, d, f, g, h usw. haben einzeln ausgesprochen immer einen Mitklinger. Zu unterscheiden sind weiters die Umlaute ä, ü, ö und die Zwielaute au, eu, ai, ei und äu!

 


[3] Als Vokale (Selbstlaute) bezeichnet man die Buchstaben a, e, i, o, u.

 


[4] Altsteinzeit – der älteste Abschnitt der Menschheitsgeschichte, beginnt mit dem Auftreten des Menschen und dauert bis etwa 10.000 v. Chr.

 

2 Comments

  1. Elisabeth Beniers

    Die Zusammenfassung ist sehr gut gelungen.Dank dafür.

    Ich suchte aber eigentlich Information über Vorschläge zur Schreibung von Sprachen, die noch nicht geschrieben werden. Wie wird da vorgegangen? Sicher wird eine auf Laute bezogene Schrift vorgezogen. Aber wie werden Wörter behandelt. Werden sie immer als Base für die Schrift genommen?

    Haben Sie Information dazu?

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